____foveon
_____fotografie_____infrared_____sonstiges_____

galerie


how to's

artikel

equipment

linkliste


 Vergessene Meilensteine in zwanzig Jahren Digitalfotografie

 Einleitung: Ich nutze jetzt seit über zwanzig Jahren digitale Kameras und habe aus nostalgischen Gründen zwei ehemals gerne und viel benutzte Kameras ausgegraben. Bei Fotografieren mit den alten Eisen wird einem dann doch recht schnell klar, wie gut die aktuelle Technik eigentlich ist. Bzw. umgekehrt, an den fehlenden Eigenschaften, was die wesentlichen Entwicklungsschritte der vergangenen zehn bis zwanzig Jahre waren. Und das ist bei weitem mehr als das, was in diversen Zeitschriften oder Internetportalen thematisiert wird. 

Die Kameras kamen dabei hauptsächlich für Fotos von Menschen im realen Leben zum Einsatz, insbesondere vom Nachwuchs. Mir ist es dabei stets wichtig aus der Situation zu fotografieren, also keine Szenen künstlich zu arrangieren.

 Testsubjekte: Seit ca. vier Jahren ist eine Olympus E-M1 samt dem Kit-Objektiv Zuiko 12-40 mm F2.8 mein Arbeitstier (was zugegeben der Stand der Technik von vor acht Jahren ist). Bis auf ein paar Megapixel und ein paar Geschwindigkeitsabstriche ist sie jedoch im Prinzip relativ repräsentativ bis heute. Die Retro-Subjekte sind eine wirklich uralte Olympus C-4040 (Kompaktkamera) sowie eine wesentlich modernere Spiegelreflex-Kamera, die Olympus E-330 mit einem Zuiko 14-54.

 Offensichtlichkeiten: Die erste offensichtlichen Unterschied betrifft die Auflösung des Bildsensors sowie dessen Lichtempfindlichkeit. Ob 4 Megapixel, 7,5 Megapixel oder 16 Megapixel merkt man deutlich. Und der Sensor der E-M1 ist spätestens ab ISO400 deutlich rauschärmer. Vom manchmal hilfreichen Bildstabilisator ganz zu schweigen.

Ebenso ist die Geschwindigkeit signifikant gestiegen. Das trifft primär die Bildfolgefrequenz (2 bis 3 Bilder pro Sekunde früher, jetzt bis zu 10 Bilder pro Sekunde). Genauso aber die Speichergeschwindigkeit vom Puffer auf die Karte. Früher musste man für schnelle Folgen die Auflösung und/oder Qualität reduzieren, heute klappt das auch bei Rohformat-Dateien (RAW/ORF) relativ gut. Und dank 64 GB Speicherkarten kann man das auch ernsthaft nutzen. So richtig driftig waren diese Mankos alter Technik jedoch im Feld nicht wirklich.

 Nicht-Offensichtlichkeit #1 – Lautlose Auslösung: Eine Kompaktkamera wie die C-4040 ist schon relativ leise und höchstens ohne andere Hintergrundgeräusche in Innenräumen auffällig. DSLR-Kameras dagegen hämmern dem Subjekt mit ihrem Spiegelgeklapper gnadenlos das Fotografiert-Werden ins Bewusstsein. Keine Ahnung, warum sie so beliebt sind.

Welch Wohltat ist da ein (elektronischer) Verschluss, der wirklich lautlos arbeitet. Man hört bei der Olympus E-M1 unmittelbar in der Nähe der Kamera höchstens noch ganz leise den Bildstabilitator arbeiten, aber das war es auch. 

Die damit gegebene Möglichkeit des unbemerkten Aufzeichnens ist aus meiner Sicht der größte Vorteil moderne Kameras gegenüber den „guten alten Tagen“. Man zerstört eine natürliche Situation nicht automatisch durch die Bildaufnahme.

 Nicht-Offensichtlichkeit #2 - Parfokalität: Insbesondere Kinder sind sehr mobil und Aufnahmesituationen entwickeln sich höchst dynamisch. Der richtige Moment ist oft schneller vorbei, als dass man per „Fuß“ das Motiv in den Bildausschnitt einpassen könnte. Kurz: Zoomlinsen sind da eine echt Bereicherung, ja quasi ein Muss (für eine gute Ausbeute).

Damit ist eine C-4040 mit ihrem Zoomhebel schon mal quasi nutzlos, weil das Verstellen der Brennweite gefühlt ewig dauert. Man kann solch einen Zoom als einen Revolver aus lauter Festbrennweiten sehen. Man hat das richtige wohl in der Tasche, aber für ein bewegtes Motiv eben meist nicht auf der Kamera.

Selbst wenn man jedoch eine richtige Zoomlinse hat, ist der Reaktionsfähigkeit auf die Dynamik einer Situation eine Grenze gesetzt: Verstellt man bei einem 0815-Zoom-Objektiv die Brennweite, verschiebt sich auch die Fokusebene. Man stellt also z.B. auf das Gesicht scharf, zoomt etwas heran und schon liegt der Fokus irgendwo anders.
Sofern man mit Autofokus arbeitet, müsste man neu fokussieren (Kamera schwenken, fokussieren, zurück schwenken). Arbeitet man mit manuellem Fokus, muss man Zoomring und Fokusring gleichzeitig bedienen, während man auch noch die Entwicklung der Szene selbst beobachtet, die Belichtung grob im Auge behält und bei Positionswechseln nebenbei über nichts stolpern sollte (die Szene richtet einen guten Blickwinkel ja nicht automatisch nach dem Fotografien aus). Puhhh.

Es gibt aber inzwischen scheinbar moderne Zooms, wie z.B. das Zuiko 12-40 mm F2.8, bei welchen der Zoomring nicht mehr auf die Fokuseinstellung wirkt. Diese Eigenschaft bezeichnet man in der Fachsprache als Parfokalität und eigentlich ist das eine Besonderheit der Profi-Videotechnik wie den Zeiss Cinema Zoom Objektiven jenseits der 10'000 €.

Diese Parfokalitäts-Eigenschaft mag zunächst nur wie eine Kleinigkeit klingen, aber das Wegfallen der Neufokussierung erhöht die Chancen für das Einfangen des „optimalen Moments“ einer dynamischen Situation deutlich. Ich möchte diese Eigenschaft jedenfalls bei keinem Universalzoom mehr missen. Das es beim Filmen sehr vorteilhaft ist, versteht sich von selbst.

Jetzt mag es sein, dass der kleine FourThirds-Sensor der E-M1 das Konstruieren solcher Zooms besonders einfach macht und man dort einen Restfehler weniger sieht (oder sie das einfach per Software instantan nachregeln). Es scheint aber bis heute nicht Usus bei neuen Zoomobjektiven zu sein. Zumindest konnte ich in einem größeren Elektrofachgeschäft sowie im Freundeskreis kein Standardzoom mit Parfokalität finden.

Was war früher besser? Nicht viel. Aber zumindest die Olympus C-4040 hat jetzt 20 Jahre regen Einsatz auf dem Buckel und fristet ihr Dasein als Laborkamera. Dank der Nutzung von Standard-AA-Akkus auf NiMH-Basis ist sie noch so lebendig wie 2001. Ich bezweifle (ohne valide Datengrundlage), dass die E-M1 ihren Zwanzigsten genauso munter erlebt.

Oktober 2021